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Internationaler Tag der Pressefreiheit
Zur Lage des Journalismus in Russland: Wie zu Stalins Zeiten

Tag der Pressefreiheit

Zum Internationalen Tag der Pressefreiheit: Der Deutsche und Bayerische Journalisten Verband organisierte eine Gedenkveranstaltung vor dem russischen Konsulat in München.

© picture alliance / ZUMAPRESS.com | Sachelle Babbar

Die Pressefreiheit steht in der ganzen Welt unter Druck, obwohl die demokratischen Staaten und Institutionen die Arbeit von Journalistinnen und Journalisten, die in einer zunehmend gespaltenen Welt immer schwieriger wird, mit Gesetzen und Initiativen fördern. Europa ist immer noch der sicherste Kontinent für die Medien, allerdings gibt es selbst hier Angriffe und Einschüchterungen gegen die Pressefreiheit, und der Krieg Russlands gegen die Ukraine, der für Putin von Beginn an zugleich ein revanchistischer Feldzug gegen den kollektiven Westen war, verschärft diese Situation.

Deutschland als Teil der westlichen Wertegemeinschaft ist seit der Einführung der aktuellen russischen Militärdoktrin 2012 durch den Generalstabschef der russischen Armee Gerassimow ganz offiziell zur Zielscheibe eines minuziös geplanten hybriden Krieges geworden. Spätestens seit der Krim-Annexion im Jahr 2014 wird der Kampf gegen die rechtsbasierte Weltordnung unter Anwendung pseudojournalistischer Mittel der staatlichen Propaganda auf allen Kanälen ausgetragen. Die Unabhängigkeit, Freiheit und Professionalität der westlichen Medienlandschaft wird dort angezweifelt, während die Putin-Propagandisten, die aufgrund ihrer Arbeitsweise nicht als Journalisten im klassischen Sinne gelten dürften, zum Opfer von westlicher Meinungsfreiheits- und Medienverfolgung erklärt werden.

Hauptangriffsziel der russischen Desinformation sind Länder Europas und die USA

Eine unabhängige vierte Macht im Staat mit Kontroll- und Korrekturmöglichkeiten darf es, ebenso wie die klassische Gewaltenteilung, aus der Sicht von Führern wie Putin gar nicht erst geben. Sie würde den Unsinn von dessen auf Lügen, Korruption und Betrug basierenden neoimperialen Fantasien entlarven und ihm somit jede Grundlage für den Machterhalt entziehen. Das Hauptangriffsziel der russischen Desinformation sind Länder Europas und die USA. Es geht stets um Spaltung bzw. Entfremdung innerhalb der westlichen Wertegemeinschaft, im Endeffekt um deren Abwertung bis zur Aushebelung liberaldemokratischer Gesellschaftssysteme. Der zum Diktator mutierte russische Staatschef Putin will es mit schwachen Einzelstaaten zu tun haben, die im Best Case von an ihn und sein diktatorisches Weltbild angelehnten antiliberalen Kräften aus dem rechtsextremistischen oder linksextremistischen Milieu regiert werden würden. Alle multinationalen, rechtsstaatlich aufgebauten Organisationen, wie die EU oder das NATO-Bündnis, wo kleine und große Player auf Augenhöhe gemeinsam politische Entscheidungen treffen, sind für ihn ein Graus.

Russische Exilmedien als Propaganda-Brecher

Polizeibeamte halten einen Demonstranten mit einem Plakat fest, auf dem zu lesen ist: "Freiheit für Alexej Nawalny"

Inmitten einer sich verschärfenden geopolitischen Krise stehen russische Exilmedien als kritische Stimmen im Kampf gegen die Propagandamaschinerie des Kremls. Von der Zensur bedroht und unter ständiger Beobachtung des Regimes berichten sie mutig über die Realitäten in Putins Russland. Ein Netzwerk von unabhängigen Journalisten diskutiert über die Herausforderungen, die sie im Kampf für Demokratie und Wahrheit bewältigen müssen.

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Wer in Deutschland bzw. im Westen die Meinungsfreiheit bezweifelt, sollte unbedingt nach Belarus, Russland, Myanmar, Nordkorea oder China gehen, um selbst zu erfahren, wie es um die Medienvielfalt dort steht. Von derzeit 150 in- und ausländischen Medien und von über 300 einzelnen Kolleginnen und Kollegen aus der Journalistengilde auf den Listen der sogenannten „ausländischen Agenten“ berichtet die deutsche Journalistin Sabine Adler in ihrem neuen Buch „Was wird aus Russland?“. Diese Zahl dürfte inzwischen sogar höher ausfallen. Solche Listen mit Personennamen und Anschriften hat auch Stalin anfertigen lassen. Später kamen die NKWD-Schergen, um sie abzuholen. Die Menschen auf den Listen wurden gefoltert, in Schauprozessen verurteilt, in die Arbeitslager geschickt und verschwanden für immer.

Schauprozesse sind zurück in Russland

Die Schauprozesse sind zurück in Russland – gegen Politiker, Künstler und auch gegen Journalisten. Die unabhängigen Medienschaffenden werden als Extremisten und Terroristen abgestempelt und verfolgt. Am Sonntag, den 28. April, wurde bekannt, dass der Videojournalist Sergej Karelin, der mit Associated Press und der Deutschen Welle zusammenarbeitete, in der Region Murmansk festgenommen wurde. Nach Angaben von Associated Press wurde er am Freitag festgenommen und am nächsten Tag vom Gericht in eine Untersuchungshaftanstalt eingewiesen. Karelin wird beschuldigt, mit Nawalnys Anti-Korruptions-Stiftung (FBK) zusammenzuarbeiten. Nur einen Tag zuvor, am 27. April, hatte das Moskauer Gericht Basmanny den Journalisten Konstantin Gabow, den der Pressedienst des Gerichts und die Agentur TASS als Reuters-Produzenten bezeichnen, in Untersuchungshaft genommen. Es ist bekannt, dass Gabow im Jahr 2022 beim belarussischen Sender "Belsat TV" aus Warschau und davor beim russischen "Mir" und "Moscow 24" gearbeitet hat. Gabow wird beschuldigt, sich an einer "extremistischen Gemeinschaft" beteiligt zu haben (nach dem Strafgesetzbuch mit zwei bis sechs Jahren Gefängnis bestraft), weil er Fotos und Videos für den YouTube-Kanal Nawalny Live erstellt hat, der ebenfalls von FBK zur Veröffentlichung von Inhalten genutzt wird. Auch der deutsche Journalist Björn Blaschke, ARD-Moskau-Korrespondent, durfte bereits Anfang März 2024 die Erfahrung, in Russland zwecks Einschüchterung willkürlich kurz verhaftet zu werden, mit den anderen teilen. Der US-Amerikaner Evan Gershkovich befindet sich immer noch im russischen Gefängnis.

Und das sind nur einige der aktuellsten Beispiele. Niemand unter den heute in Russland arbeitenden Medienschaffenden kann wirklich frei im Land über etwas berichten, was vom Kreml nicht abgesegnet wird. Jedes Thema kann dort tabuisiert, alle Fakten verdreht und jeder Journalist in Geiselhaft genommen werden. Umso mehr muss jedoch der freie Journalismus aus dem sicheren Westen einen starken ethischen Selbstanspruch auf Qualität und faire Recherche haben. Der Zweck von freier Presse bleibt sicherzustellen, dass Menschen frei Informationen erhalten und weitergeben können. Ohne Absicht von Manipulation, Bevormundung oder Besserstellung einer bestimmten Person, Organisation und ohne bestimmte Interessen zu bedienen. Die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit arbeitet daran, die freie Presse und Medienfreiheit weltweit zu unterstützen.